Nachtrag zum Themen-Abend am 13.11.2017
Wohnen als Grundrecht – Themen-Abend im Kurt-Esser-Haus
Die Veranstaltung traf auf vergleichsweise sehr großes Interesse und die drei Vorträge gaben viele Informationen, Denk-Anstöße und wichtige Hinweise. Zu Vergabeverfahren, Gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik und soziales Zusammenleben durch entsprechende Wohnungsbaupolitik gab es Kern-Aussagen.
Der im Grundgesetz verankerte Gestaltungsspielraum aller Bundesbürger bei der politischen Willensbildung wird nicht selten unterschätzt.
Am 13.11.2017 konnten Besucher des vom Verein Gemeinsam Wohnen in der Region Koblenz organisierten Themenabends vielfältige Alternativen kennen lernen, die Bürgern ermöglichen, aktiv an der Gestaltung von neuen Wohnformen mitzuwirken. Als erste Referentin des Abends, der in die 3. landesweite Demografiewoche gelegt wurde, stellte Frau Dipl. Ing. Birgit Diesing, Stadtplanerin der „WIRAgentur für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen“ Erfahrungen des Runden Tisches „Gemeinschaftlich Wohnen – Darmstadt“ vor. Dort wird Bürgern ermöglicht, aktiv an der Gestaltung von neuen Wohnformen mitzuwirken. Generell haben gemeinschaftliche Wohnprojekte einen weitaus höheren Anspruch, als „sich in der Nachbarschaft mit Eiern auszuhelfen“. Vielmehr zielen diese Wohnprojekte darauf ab, in selbst organisierten Hausgemeinschaften neue Formen des sozialen Miteinanders zu entwickeln und oftmals gleichzeitig benachteiligten Personenkreisen (Behinderte, Senioren, Alleinerziehende) bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. Die gegenseitige Hilfe in einem selbstbestimmten sozialen Umfeld steht dabei im Mittelpunkt. Beeindruckend war die Zusammenfassung der bisher erreichten Ziele des Runden Tisches in Darmstadt. Folien des Vortrags
Frau Dipl. Ing. Roswitha Sinz aus Köln, Ansprechpartnerin für Stadt- und Quartiersentwicklung beim Verband der ehemals gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, VdW, erläuterte in ihrem Vortrag die Grundlagen für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit, deren Zielsetzung bezahlbarer, sozialer Wohnungsbau in neuen Organisationsformen ist. In Folge der Wiederbelebung dieses Themas gab es eine Debatte im Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit im Januar 2017. Die von GRÜNEN/Bündnis 90 und Die Linke eingebrachten Anträge zum Thema Wohnungsgemeinnützigkeit wurden mit der Begründung abgelehnt, dass die Bezahlbarkeit des Wohnens nicht von der Organisationsform abhänge und die Bedingungen einer Wohnungsgemeinnützigkeit den Geschäftskreis der Wohnungsunternehmen stark beschränke, so dass interne Querfinanzierungen von z.B. sozialen Aufgaben nicht mehr möglich werden.Dieser Begründung schließt sich die gesamte Wohnungswirtschaft an, u.a. auch die kommunale von Mainz sowie eine Wohnungsbaugenossenschaft in Koblenz. In ihren Ausführungen plädierte Roswitha Sinz daher für eine Gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik. Folien des Vortrags
Herr Dr. Hanno Heil, Lehrbeauftragter für Diakonische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar, fragte ob den Missständen auf dem Wohnungsmarkt entgegen gewirkt werden könne durch eine stärkere Gemeinwohlorientierung der Wohnungsbauunternehmen und Kommunen. Immerhin sei in der rheinland -pfälzischen Landesverfassung die Gemeinwohlverpflichtung der Wirtschaft, der Kommunen und Einzelpersonen deutlich formuliert. Ein Instrument zur praktischen Umsetzung des Gemeinwohlprinzips auf dem Wohnungsmarkt sieht er in der Anwendung eines Zertifizierungsverfahrens, dass die Gemeinwohl-Orientierung von Kommunen und Unternehmen misst und transparent darstellt. Der Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt müsse künftig nicht mehr durch die Höhe der Renditen, sondern durch die Auswirkungen der Bauvorhaben und der sie durchführenden Unternehmen auf das Gemeinwohl gesteuert werden. Er verwies auf erste Gemeinden in Österreich und Spanien, die sich auf ihre Gemeinwohl-Orientierung hin zertifizieren lassen. Dabei wird z.B. auch beurteilt, wie weit ihre Wohnungsbaupolitik das soziale Zusammenleben fördert. Folien des Vortrags
Im Rahmen der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurde vorgeschlagen, dass bei dem Planungsverfahren für die „Fritsch-Kaserne“ sowohl die interessierte Bürgerschaft als auch Architekten einbezogen werden sollen. Um dort nachbarschaftlich orientierte Wohnprojekte anzusiedeln, müsste ein besonderes Vergabeverfahren erfolgen, da diese in Konkurrenz zu normalen Investoren auf dem offenen Grundstücksmarkt i.d.R. chancenlos sind. Sich zukünftig in der Konsequenz für einen „Geschützten Wohnungsmarkt“ mit Vergabe an das beste Konzept und nicht zum Höchstpreis sowie mehr Bürgerbeteiligung einzusetzen, versprachen für den Verein Christine Holzing und Gesa Schmidt, die den Abend moderierten.